20.09 2019

Freude über historisches Bild aus Mühlhausen

Ein „Blatt´l“ vom Gillamoos-Schießen im Jahre 1919 findet zurück zur Original-Scheibe. Die MZ hat die Übergabe genau 100 Jahre später möglich gemacht.

Frau Augusta Wutzer, geb. Kroiß, liest eifrig die Mittelbayerische Zeitung. Als gebürtige Abensbergerin studiert sie die Berichte über ihre frühere Heimatstadt besonders akribisch. Sie hat vor rund 58 Jahren nach Mühlhausen geheiratet. Ihre zahlreiche Verwandtschaft und sonstigen persönlichen Kontakte nach Abensberg halten die Erinnerungen an ihre Kindheitserlebnisse wach.

Besonders angetan hat es ihr der MZ-Bericht über das historische Gillamoosschießen. Denn in ihrer Wohnung hängt ein Bild „vom ersten Gillamoosschießen im Freistaat Bayern“, das exakt 100 Jahre alt ist. Es beinhaltet das „Blatt`l“, des damaligen „Hauptschießens“ am 14. und 15. September 1919, eine runde rote Pappscheibe mit rund sechs Zentimeter Durchmesser und dem Einschussloch „fast“ exakt in der Mitte.

Opa Georg Gratzl hat als Mitglied des Schützenvereins Siegenburg am damaligen Gillamoos-Schießen teilgenommen und den besten Schuss gesetzt. Manfred Dieter Hoyer, zweiter Schützenmeister und Chronist der Königlich privilegierten Feuerschützen-gesellschaft Abensberg hat in der Teilnehmerliste aus dem Jahre 1919 nachgesehen und tatsächlich den Namen Georg Gratzl gefunden. Allerdings fehlt ihm das „Blatt´l“, das die Sieger als Andenken immer mit nach Hause nehmen durften. Eine Schützenscheibe mit dem Namen Georg Gratzl hat der Abensberger Verein schon in seinem Schützenheim hängen.

Der 40-jährige Lehrer Georg Gratzl war sehr stolz auf seinen Sieg und hat sich ein Bild mit dem Motiv des Gillamoos malen lassen. Mit  Kinderkarussell, Bierzelt, Verkaufstand und wehenden Fahnen herrscht Volksfeststimmung. Eine Bedienung stürmt mit zehn Steinkrügen voller Bier über die bunte Wiese. Über dem Platz „fliegt“ ein roter Heißluftballon mit einem Passagierkorb. Bei genauem Hinschauen stellt sich heraus, dass es sich um das „Blatt´l“ handelt.

Die obere Aufschrift „GILLAMOOS=SCHIESSEN * ABENSBERG * 14.–15.9.19“ und „HAUPT 1. PREIS“ am unteren Rand ermöglichen eine eindeutige Zuordnung.

Auf der Bild-Rückseite hat Lehrer Gratzl in Sütterlin-Schrift interessante Details mit Bleistift auf Karton festgehalten. Seinen „96- Teiler“ hat er aus einer Entfernung von 130 m erzielt. Als „Haupt I. Preis“ hat er eine „Seidene Fahne und 25 M Gold“ erhalten.  Für das Bild „hat er 7,– und für weitere Arbeiten 7,– bezahlt“, gemeint sind jeweils Mark. Mit den Namensstempel „Georg Gratzl Siegenburg (Ndb.) bekommt das Dokument „amtlichen Charakter“.

Für die 81-jährige Frau Wutzer war es immer schon ein Anliegen, das Bild an die Königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft Abensberg zu geben. Hat sie doch als 14-jähriges Mädchen am Schützenstand beim Aufschreiben der Schießergebnisse mitgeholfen und einige ihrer Geschwister und Verwandten war sehr gute Schützen.

Ein „richtiger Anlass“ für die Kontakt-Aufnahme mit dem Abensberger Schützenverein hat sie bisher nicht ergeben. Umso mehr hat sie der Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung ermutigt, jetzt doch den Schritt zu wagen. Ihrem Anruf bei der Redaktion ist es zu verdanken, dass das historische Zeugnis nicht verloren geht.

Sie übergab dem Redakteur der MZ ohne viel Aufhebens das Bild und eine „Anschlußversicherungskarte für Mitglieder von Vereinen, die noch eine eigen Versicherung laufen haben für Herrn Georg Gratzl aus dem Jahre 1936“.

Nach ihrem Auftrag „Bitte sorgen Sie dafür, dass der Abensberger Schützenverein die beiden Sachen bekommt, ich möchte, dass das Bild in gute Hände kommt.“ wandte ich mich sofort an den zweiten Schützenmeister und Vereins-Chronisten Manfred Dieter Hoyer.

Dieser hat vor lauter Freude zum Übergabetermin schon die Original-Scheibe des Gillamoosschießens aus 1919 und das Schützenbuch für den Zeitraum von 1898 bis 1922 vorbereitet. Darin ist die „Ausschreibung für das Erste Gillamoos-Schießen im Freistaat Bayern verbunden mit Jubiläumsschießen“ nachzulesen (siehe Info).

Als Preisträger des Wettbewerbs „Hauptscheibe“ ist „1. Gratzl – Siegenburg“ eingetragen. Die nachfolgenden Preisträger kamen aus Kelheim, Abensberg und sogar Regensburg. Auch in der Abrechnung der damaligen 47 Teilnehmer ist genau aufgeführt, an welchen Wettbewerben Georg Gratzl teilgenommen hat, und was er an Geld „eingesetzt“ hatte.

Johann Schlittenbauer (li), der Gewinner des Gillamoos-Schießen 2019 und der 2. Schützenmeister und Chronist Manfred Dieter Hoyer zeigen die Originalscheibe (100 Jahre alt) und das Bild mit dem „Blatt´l.

Für Manfred Dieter Hoyer ist die Sache eindeutig und er freut „sich riesig“ über das Geschenk von Frau Wutzer aus Mühlhausen. Das „echte Blatt´l“ vom Gillamoos-Schießen im Jahr 1919 ist ein historisches Unikat, dass in der Vereinschronik einen wichtigen Platz einnehmen wird.

Die kunstvolle Einbindung in ein Bild vom damaligen Jahrmarkt macht es zu einem wichtigen historischen Dokument. „Natürlich werden wir für das wertvolle Kunststück einen würdigen Platz in der Schützenstube finden“ ist sich Manfred Dieter Hoyer sicher.

Information:

1604 ist das Gillamoos-Schießen zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Als wichtigster Wettbewerb des Jahres fand es immer als „offenes Schießen“, d.h. die Teilnehmer kamen aus ganz Bayern. Heute ist es ein vereinsinterner Wettbewerb. Nach wie vor findet es am Sonntag nach dem Gillamoos statt.

In fünf Wettbewerben (Ehren-, Haupt-, Glück-, Fest- und Meisterscheibe) bekamen jeweils die sieben besten Schützen einen Geldpreis. Als Einlage musste jeder Schütze „12,– Mark“ zahlen, konnte aber in jedem Wettbewerb Preis 25,– Mark gewinnen. Bei der Hauptscheibe gab es zusätzlich eine seidene Fahne.

Neben den Einzelkriterien gab es auch „allgemeine Bestimmungen“. Die Entfernung der Scheiben beträgt 130 Meter. Das Schießen beginnt am Sonntag den 14. September nach Ankunft des Schützenzuges (Auszug um 10 Uhr), und dauert bis abends 6 Uhr. Am Montag den 15. September kann von 1/2 8 -11 Uhr und von ½ 1 – 5 Uhr geschossen werden. Die Preisverleihung findet noch am Montag den 15. September statt.