11.09 2023

Vom Hopfazupfa zum Hopfenpflücken

Seit rund einer Woche ist Hopfenernte-Zeit und so manche älteren Bürgerinnen und Bürger werden durch das Surren der Hopfenpflückmaschinen und dem Hopfenduft im Ort an die „guade alte Zeit“ erinnert.

In den 1950er Jahren gab es in Mühlhausen rund 55 Hopfen-Bauern, heute sind es nur noch neun. Das „Hopfazupfa“ hat in den vergangenen 70 Jahren eine atemberaubende Entwicklung genommen.

In den Akten von Neustadt ist erstmals 1559 ein Hopfengarten ausdrücklich erwähnt. 1798 legte der Hopfenpionier Simon Wittmann aus Mühlhausen mit 400 Stöcken aus Tschechien den Grundstock für die Hallertau. Im Jahr 1831 umfassten seine Hopfenanlagen rund 100.000 Stöcke. „Durch ihn lernten die Bauern den Hopfen als Sonderkultur und Handelspflanze in die traditionelle bäuerliche Betriebswirtschaft zu integrieren.“ (Lorenz Kettner „Hallertauer Hopfenanbau“).

So war es nicht verwunderlich, dass früher in Mühlhausen fast jeder Bauer und Handwerker mit einem „kleinen Sachl“ einen Hopfengarten hatte, „sogar der Totengräber“ so Konrad Dichtl.

Bis zu 2000 Menschen aus dem Bayerischen Wald und der Oberpfalz kamen früher an „Bartholomä“, am 24. August, in das beschauliche Dorf.

1957 war das „Hopfazupfa“ eine gesellige Arbeit. Dabei wurden viele Neuigkeiten ausgetauscht. Foto: Alfons Bauer (+ 12. März 2021)

Jede Dolde wurde einzeln von der Rebe gezupft. Geschickte Zupfer schafften sechs bis acht Metzen am Tag, das ist ein runder Blechbehälter mit 60 Liter Inhalt. Dafür musste er rund 18 bis 20 Reben zupfen. Ein Bauer mit 4000 Reben beschäftigte rund 20 Hopfenzupfer mehr als zwei Wochen.

Um Zeit zu sparen wurde auf dem Feld auch Mittag gegessen. Für das leibliche Wohl sorgte die Bäuerin selbst. Foto: Alfons Bauer (+ 12. März 2021)

Trotz der eintönigen Arbeit kehrten die Frauen und Männer nach getaner Arbeit am Feierabend singend auf den Hof zurück. Der „Hopfenmoasta“ gab ihnen für jeden vollen Metzen ein Blechl und nach einer deftigen Brotzeit in geselliger Runde legten sie sich auf dem Dachboden auf Strohsäcken zum Schlafen.

Die zunehmende Industrialisierung bot den Menschen in den 1960er Jahren zunehmend mehr dauerhafte Arbeitsplätze, so dass es immer schwieriger wurde, Erntehelfer zu bekommen.

In den USA tüftelten Ende des 19. Jahrhunderts Hopfenpflanzer an „Apparaturen zum Hopfenpflücken“ und 1908 lief in Kalifornien die erste Serie großer motorbetriebener Pflückmaschinen.
In Europa dauerte es bis Mitte der 1930er Jahre, bis auf der britischen Insel die Firma „Bruff“ die erste serienreife Hopfenpflückmaschine auf den Markt brachte. Auch aus Belgien wurden von den Firmen „Allaeys“ und „Ceres“ Hopfenpflückmaschinen nach Deutschland geliefert. Erst Anfang der 1960er Jahre begann der spätere Marktführer „Wolf“ seine Produktion.

Am 1. August 1956 hatte die Maschinenfabrik Josef Scheibenbogen in Landshut nach einer Lizenz der englischen Firma die erste „Bruff“-Hopfenpflückmaschine in der Hallertau gebaut. Der Koloss mit 23 Metern Länge und 8 Metern Höhe schaffte an einem Tag rund 2.500 Reben.

In den Jahren 1959/60 begann auch in Mühlhausen ein neues Zeitalter. Zwei größere Bauern kauften sich jeweils eine eigene Maschine, eine „Allaeys“ und eine „Ceres“ aus Belgien.

Sieben kleinere Landwirte gründeten eine Genossenschaft, bauten eine Halle für eine „Bruff“-Pflückmaschine. Abwechselnd wurden zwei Fuhren eines Landwirts gepflückt, bis nach 10 Tagen die rund 20.000 Reben abgeerntet waren. „Jeder Bauer wollte am Morgen seinen feuchten Hopfen pflücken und nicht am Nachmittag. Das führte zu so manchem heftigen Streit“, so Ottilie Lorenz, die damals mit dem Schlepper den Hopfen vom Feld holte.

Es gab auch zunehmend Unstimmigkeiten bei der Pflückqualität, so dass nacheinander einige Landwirt aus der Pflückgemeinschaft ausstiegen und sich Zweier-Pflückgemeinschaften bildeten.

Die kompakte Maschine der Firma Wolf ermöglichte den Bauern, in eine eigene oder mit einem Partner in eine gemeinsame Pflückmaschine einer Tagesleistung von 800 bis 1000 Reben zu investieren.

Mit dem „Abreißgerät“ und dem Erntewagen werden in 15 Minuten rund 200 Reben aufgeladen und zur Pflückmaschine auf den Hof gefahren.

Die gesamte Erntetechnik entwickelte sich rasch weiter. Erntewägen mit Abreißgeräten, leistungsstarke Pflückmaschinen, automatische Förder- und Trocknungsanlagen und Verpackungsvorrichtungen ermöglichen die Ernte von mehr als 100.000 Reben Hopfen in drei Wochen bei einem geringen Personaleinsatz. Diese Anlagen sind nur wirtschaftlich bei einer entsprechenden großen Anbaufläche zu betreiben. So blieb es nicht aus, dass kleinere Landwirte „aufgaben“ und ihre Felder an die größeren Landwirte verpachteten.

Nur noch zwei Arbeiter sind für das „Füttern“ der Pflückmaschine mit mehr als 700 Reben pro Stunde erforderlich.

Die sind nun in der Lage die neuesten Pflückmaschinen mit einer Stundenleistung von rund 700 Reben, das bedeutet eine Tagesleistung von rund 8.500 Reben wirtschaftlich zu betreiben.

Einige Saisonarbeiter werden aber nach wie vor beschäftigt. Das „Einhängen“ der Reben erfolgt meistens durch junge Menschen aus Osteuropa.

Fotos: Alfons Bauer (ehemaliger Dorfschmied, verstorben am 12. März 2021)
Ein kurzer Nachruf: Ein Dorfschmied mit Leib und Seele

Josef Kastl

Text:   Josef Kastl