Jedes Jahr am 15. Juni wird in Mühlhausen das Patrozinium der Pfarrkirche gefeiert. Heuer wurde ein Teil der Feier dorthin verlegt, wo die Kirche noch vor nicht mehr als ca. 85 Jahren stand.
Jeder Mühlhausener kennt den „Alten Turm“ am Brünnlweg. Er ist der bauliche Rest der alten Pfarrkirche. Im Rahmen der Dorferneuerung haben engagierte Mühlhausener die Dorf-Geschichte zu einem der zentralen Themen gemacht. Da ist es naheliegend mal nachzuforschen, was es mit dem Alten Turm auf sich hat.
Allerdings wurde der Turm nicht nur gedanklich sondern auch praktische kaum mehr beachtet bzw. gepflegt. Deshalb musste zuerst heuer im Februar mit großen Einsatz der Mühlhausener Dorfbewohner der Alte Turm aus einem umfangreichen Wildwuchs von Stauden befreit werden.
Nachdem nun der Turm äußerlich wieder gut einsehbar war, wollte man aber auch etwas über die „inneren Werte“ wissen. Schnell war in der Vorstandssitzung der Teilnehmergemeinschaft die Idee geboren, den geschichtlichen Hintergrund zu erarbeiten und bekannt zu machen. Mit Herrn Dieter Schwaiger, dem Sprecher des Arbeitskreises Geschichte und Kultur war schnell eine Person gefunden, die die historische Entwicklung nachvollziehen kann, denn seine Leidenschaft ist die Geschichtsforschung.
So wurde die Dorfbevölkerung am St.-Vitus-Tag, den 15. Juni nach dem Besuch der Patroziniums-Messfeier zu einer Sitzweil am Alten Turm eingeladen.
Obwohl der Wetterbericht mit Schauern drohte, wurde die Veranstaltung im Freien geplant, denn man wollte ja unmittelbar am Ort des geschichtlichen Geschehens sein.
Der Sprecher des Pfarrgemeinderates Herr Sebastian Hainz konnte so gegen 18.45 Uhr ca. 45 Mühlhausener Bürgerinnen und Bürger begrüßen. Auch Kaplan Maximilian Roeb und Pfarrgemeindereferentin Frau Maria Ganslmeier waren gekommen. Er lud sie herzlich zu einem kurzen Vortrag über die ehemalige Pfarrkirche St. Vitus von Herrn Dieter Schwaiger ein.
An Hand von 6 Schautafeln, die vom Turm zu einem benachbarten Baum aufgehängt waren, brachte er den Zuhörern sehr interessante historische Eindrücke nahe.
Der Alte Turm ist ein Relikt der ehemaligen Pfarrkirche St. Vitus in Mühlhausen. Deren Anfänge reichen bis in die Zeit der Romanik im 12. Jahrhundert zurück. Die erste Nennung einer Kirche in Mühlhausen erfolgte im Jahr 1252. Spuren der romanischen Bauphase lassen sich noch an Quadersteinen im Unterbau des quadratischen Turmes und einem kleinen rundbogigen Schlitzfenster an der Ostseite des Turmes erkennen. Der Altar befand sich im unteren Turmgeschoss. Darum wird eine solche Kirche als Chorturmkirche bezeichnet. Die Kirche diente vom späten Mittelalter bis 1933 als Pfarrkirche. 1948 wurde das Kirchenschiff abgebrochen. Neben der ebenfalls romanischen Jakobskirche ist der Alte Turm ein hervorragendes Baudenkmal der über 1000-jährigen Geschichte Mühlhausens und prägt das Ortsbild.
Der Turm hat im Laufe seiner Geschichte mehrere Veränderungen erfahren:
– Der romanische Turm wurde um 1600 im Ziegelbau aufgehöht.
– Infolge großer Schäden musste er um 1803 bis zur Dachtraufe abgetragen werden.
– Im 19. Jahrhundert wurde der Turm wieder mit Ziegeln aufgemauert und erhielt als Dach eine markante
Kuppelhaube mit Laterne.
– Die heutige Form mit dem Pyramidendach geht auf eine Sanierung im Jahr 1964 zurück.
– Im Glockenstuhl hingen drei Glocken. Die älteste stammte aus dem Jahr 1529.
– An der Nordseite des Turmes war die Sakristei angebaut.
Das Kirchenschiff war bis ins 19. Jahrhundert 51 Schuh lang, 27 Schuh breit und 15 Schuh hoch. Da 1 Schuh = 29,2 cm entspricht dies einer Länge von 14,89 m, einer Breite von 7,80 m und einer Höhe 4,38 m. 1839 wurde das Seitenschiff nach Westen um 3,50 m verlängert.
Es stellte einen rechteckigen Raum mit vier Fensterachsen dar, das Portal befand sich im Westen. Im 18. Jahrhundert erhielt die Kirche einen Chorbogen, vermutlich wurden auch die alten romanischen Fenster vergrößert. Das Satteldach war mit Ziegeln gedeckt.
Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche barockisiert. Laut Kirchenrechnung vom Jahr 1703 erhielt die Kirche damals einen neuen Hochaltar des Schreinermeisters Anton Schnidtmann aus Neustadt (1659 –1725), der viele Altäre im Umkreis von Neustadt geschaffen hat.
Auf den beiden Durchgängen neben dem Altar befanden sich Figuren der Heiligen Katharina und der Heiligen Barbara.
Der Platz um die Kirche diente jahrhundertelang als Friedhof. Dieser war von einer Mauer umgeben. Nach dem Bau des neuen Friedhofs bei der heutigen Pfarrkirche im Jahr 1925 wurde der Friedhof aufgelöst. Die Gebeine der Toten kamen in den neuen Friedhof. Die Friedhofsmauer verlor ihre Bedeutung und wurde abgetragen. Ferner stand nördlich der Kirche eine „Seelenkapelle“ mit einem Altar. Sie wurde als Beinhaus verwendet und diente als Leichenhaus. Ursprünglich war die „Seelenkapelle“ eine Kapelle, die dem Heiligen Wolfgang geweiht war. Sie stammte auch aus der Zeit der Romanik. Wolfgangs-Heiligtümer standen häufig in Verbindung mit einer Quelle bzw. mit einem Gewässer. Unweit der Wolfgangskapelle befand sich eine Quelle, die einen Dorfweiher speiste, von dem aus ein kleiner Bach in den Mühlweiher und von dort aus in Richtung Karpfenstein weiterfloss.
Als die ersten Siedler begannen, im Dürnbucher Forst eine Siedlungsstelle zu roden, Höfe zu errichten und Felder zu bestellen, war das Vorhandensein von Wasser lebensnotwendig. Das Areal in der Nähe der Quelle gehört darum zum ältesten Siedlungskern Mühlhausens.
Über die Jahrhunderte entwickelte sich das Gelände zu einer sehr moorastigen Landschaft, die für den Bestand der Kirche und den Friedhof viele Probleme verursachte. Deshalb wurde 1932 eine neue Pfarrkirche auf einem erhöhten Gelände als Nachfolgekirche der alten Sankt-Vitus-Kirche gebaut.
Zum Abschluss bat Herr Dieter Schwaiger, die Zuhörer doch mal in die alte Kirche einzutreten. Dies war möglich, denn die Außenmauern waren mit einem rot-weißen Trassenband markiert und mit Lichtern ausgeleuchtet. Da war es doch ganz schön eng für die ca. 45 Personen in der nur ca. 6,50 m breiten Kirche.
Der sehr informative und lebendig vorgetragene Beitrag von Herrn Schwaiger wurde auch durch einige Anekdoten der Anwesenden aufgelockert und mit einem großen Applaus belohnt. Einige ältere Mühlhausener konnten sich noch sehr gut an die damalige Zeit erinnern.
Hier ist die Geschichte der alten Pfarrkirche nachzulesen: Alter Turm St-Vitus Vortrag H. Schwaiger
Im gemütlichen Teil des Abends saßen Jung und Alt noch gemütlich am Alten Turm zusammen und genossen den lauen Sommerabend bei Getränken und kleinen Häppchen, die die Pfarrgemeinderatsmitglieder vorbereitet hatten. Das Wetter unerwartet freundlich, einige schwarze Gewitterwolken haben sich sehr schnell wieder sehr schnell „verzogen“. Diejenigen Besucher, die bis ca. 22.00 Uhr ausgeharrt waren, konnten dann auch die ehemaligen Kirchenumrisse bei Nacht bewundern.
Dies war eine erste Informationsveranstaltung über die Geschichte von Mühlhausen. Es werden sicher noch einige folgen, denn die mehr als 1000-jährige Geschichte der beiden Ursprungsdörfer Mühlhausen und Forstdürnbuch beinhaltet einiges Wissenswertes über unsere Vorfahren und der Lebensweisen.
So sieht es im Innern des Turm heute aus: