02.12 2018

Vom Wasserschloss zum Bauernhof

„Nur wer weiß, woher er kommt, weiß wohin er geht“. Mit diesem Zitat von Theodor Heuss begrüßte Sebastian Gaigl vom Amt für Ländliche Entwicklung die Gäste im voll besetzten Saal des Pfarrheims Mühlhausen. Als Projektleiter der „Dorferneuerung Mühlhausen“ freute er sich über die Realisierung eines weiteren Teilprojektes. Er betonte, dass neben baulichen Maßnahmen für das Heute und die Zukunft auch die Aufarbeitung der Geschichte eines Ortes und die Information der Bürgerinnen und Bürger darüber einen großen Teil zur Identifikation mit ihrem Heimatort beitragen.

Der Sprecher der Teilnehmergemeinschaft und 3. Bürgermeister der Stadt Neustadt a.d. Donau Konrad Dichtl hat den Vortragsabend organisiert, um Dieter Schwaiger eine würdige Möglichkeit zu geben, sein Buch „Karpfenstein – Ein ehemaliges Wasserschloss bei Mühlhausen“ der ganzen Bevölkerung vorzustellen. Nachdem er vor zwei Wochen bereits in einer Lesung in der Gemeindebücherei Mühlhausen vor ca. 70 Leuten vier Geschichten erzählte, zeigte er nun die komplette Geschichte des Weilers Karpfenstein auf.

Als Ehrengäste begrüßte Konrad Dichtl neben den heutigen „Schlossherren und –frauen“ aus Karpfenstein, den Familien Wöhrmann und Seemann auch den Heimatpfleger der Stadt Neustadt Edi Albrecht und Stadtarchivar Anton Metzger. Auch die Mühlhausener Stadträte Hans Seidenschwand und Birgit Wack, Pfarrvikar Laurence Emmareddy und Maria Ganslmeier von der Pfarreiengemeinschaft Neustadt – Mühlhausen zeigten durch ihre Anwesenheit Interesse an der Geschichte von Mühlhausen.

Das „Leitbild zur Dorferneuerung Mühlhausen“ beginnt mit dem Kapitel „Geschichte und Kultur“. In der gleichnamigen Projektgruppe unter der Leitung von Dieter Schwaiger wurde als Ziel definiert: „Die Dorfbevölkerung für die Geschichte ihres Ortes interessieren und das Bewusstsein für die Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung stärken.“ Als mögliche Projekte wurden „Heimatabende und Ausstellungen zu einzelnen geschichtlichen Schwerpunkten organisieren“ und „Dorfgeschichte in einem Bildband mit Texten und Fotos der Bevölkerung anschaulich vermitteln“ festgeschrieben.Mit dem Wasserschloss Karpfenstein hat sich Dieter Schwaiger ein Objekt ausgesucht, das trotz der unterschiedlichen Entwicklungen im Laufe der Zeit immer eine Einheit geblieben ist. Er spricht von vier Phasen, die Karpfenstein „im Wandel der Zeit“ durchgemacht hat. Kurioserweise kam es meist am Ende eines Jahrhunderts zu einem Umbruch. Gemeinsam mit den Zuhörern machte er sich mit seinem Vortrag auf die Suche nach dem Wasserschloss Karpfenstein.

Weiherhaus um ca. 1500

Im Spätmittelalter entstanden nördlich und westlich von Mühlhausen nachweislich mehrere künstlich angelegte Weiher für die Fischzucht. Diese wurden gespeist von einer Quelle nahe der ehemaligen Pfarrkirche St. Vitus, dort wo heute noch der „Alte Turm“ steht. Die fünf Weiher „Veitsweiher“, „Hechtenweiher“, „Roßbachweiher“, „Sternweiher“ und „Mühlweiher“ befanden sich bei Karpfenstein. Der „Prücklweiher“ und „Schellmoosweiher“ dagegen befanden sich an der Landstraße nach Neustadt. Bei der Weiherstätte befand sich ein Weiherhaus für den Weiherhüter, ein sog. Wohnturm, damit man das Gebiet der Weiher gut einsehen konnte. Die Namen der Weiher sind vor ca. 20 Jahren als Straßennamen in neuen Baugebieten wieder lebendig geworden. Die Weiher waren ursprünglich im Besitz der Herren von Abensberg, wechselten dann zu einem Adelssitz in Neustadt. Eine Gedenktafel an der Wand des Hauses an der Herzog-Ludwig-Straße 17 (heute eine Modegeschäft) gegenüber der Pfarrkirche St. Laurentius erinnert heute noch an das „Gefreite Haus“. Dieses Haus wechselte mehrmals den Besitzer, unter anderem war auch der Ritter Lorenz von Trautzkirchen einer der Besitzer.

Hofmarkschloss um 1600

1565 kam die Weiherstätte in den Besitz von Ludwig Franz von Stingelheim zu Thürnthenning. Die Stingelheimer waren ein altes bayerisches Rittergeschlecht und gehörten dem höheren Adel an. Nach seinem Tod 1593 wurde er in der Kirche in Neustadt begraben. Sein Sohn Christoph ließ für ihn einen rotmarmornen Epitaph (Grabstein) errichten. Die lebensgroße Ritterfigur mit Lanze und Schwert ist heute noch in der Stadtpfarrkirche St. Laurentius in Neustadt sehr gut zu erkennen. Ludwig Franz von Stingelheim begann 1580 mit dem Bau des Schlosses und sein Sohn Christoph vollendete 1599 das Bauwerk. In diesem Jahr wurde auch von Herzog Maximilian das Recht verliehen, „fürderhin seinen gefreyten Hof, der Weyerhof genannt“, nun „Karpfenstein“ zu nennen und auf dem gesamten Grundstück die Edelmannsfreiheit auszuüben. Deshalb kann man lt. Dieter Schwaiger das Jahr 1599 als die „Geburtsstunde“ von „Karpfenstein“ bezeichnen. Nach dem Tod von Christoph von Stingelheim wurde das Erbe auf seinen Stiefbruder Walter und seine Schwester Barbara aufgeteilt.

Jesuitenvilla um 1700

Aufgrund der Zerstörungen und Plünderungen im 30-jährigen Krieg verkaufte Barbara Stingelheimer das schwer beschädigte Schloss im Jahr 1937 an das Jesuitenkolleg Landshut. Durch ein Tauschgeschäft kam Karpfenstein schließlich 1653 zum Jesuitenkolleg Ingolstadt. Damit war die Versorgung des Jesuitenkollegs Ingolstadt mit Fischen sichergestellt. Aufgrund seiner idyllischen Lage wurde es auch gerne als „Villa“ zur sommerlichen Erholung für die Professoren und Studenten der Hochschule Ingolstadt genutzt. Neben Karpfenstein besaßen die Jesuiten mit Kloster Biburg, Kloster Münchsmünster, Schloss Prunn und Kirche Allersdorf weitere Güter im nahen Umkreis. Nachdem 1773 der Jesuitenorden in Bayern verboten wurde, stand das Schlossgebäude leer, es war nur eine Wohnung vom Weidehüter bewohnt. Nach weiteren 10 Jahren gelangte es an die neu gegründete „Malteserkommende Biburg“. Nach der Säkularisierung 1810 wurde der bayerische Staat der Eigentümer.

Bauernhof ab 1800Mit dem Kauf des Obermüllers Mathias Glas Im Jahr 1804 und dem Bau eines Wohnstallhauses in 1812 begann der letzte große Entwicklungsschritt hin zum heutigen Anwesen der Familie Wöhrmann. Der Betrieb einer Mühle musste nach einigen Jahren eingestellt werden, da das erforderliche Höhenniveau trotz Staudamm nicht ausreichte.

Das zweite Anwesen Erwarb der Taglöhner Johann Schmid. Beide Höfe wurden durch Neubauten, deren Baupläne Dieter Schwaiger in den Archiven fand immer mehr zu bäuerlichen Anwesen umgebaut. Unter anderem wurden sämtliche Weiher trockengelegt und das sumpfige Gebiet kultiviert. 1909 kaufte schließlich Georg Wöhrmann aus Mitterstetten bei Elsendorf einen Bauernhof, der bis heute im Familienbesitz ist. Das zweite Anwesen wurde ca. 1970 von Gottfried und Hildegard Seemann, eine Schwester von Georg Wöhrmann, übernommen.

Die Familie Wöhrmann hat mit der Umstellung ihres landwirtschaftlichen Betriebes in den letzten Jahren komplett auf Hopfenerzeugung umgestellt.

Am eindrucksvollsten zeigte Dieter Schwaiger mittels Lagepläne und Luftbildaufnahmen, wie sich die Landschaft und die Bebauung mit Gebäuden gewandelt haben.

Aber auch mit zahlreichen Bildern ist das Schloss Karpfenstein dokumentiert. Dabei ist der Kupferstich von Michael Wening aus 1701 die einzige historische Abbildung. Im Laufe der Zeit haben viele Künstler das Schloss unter anderem auch in farbigen Bildern an verschiedenen Stellen festgehalten. Ob auf einer Postkarte um 1900, im ehemaligen Schulhaus, im ehemaligen Wohnhaus der Familie Wöhrmann, auf einer Schützenscheibe im Sportheim oder an der Hauswand der Familie Seemann, das Schloss Karpfenstein ist für alle Generationen ein Begriff.

Damit lebt das historische Gebäude in den Gedanken der Mühlhausener auch noch weiter, auch wenn keine baulichen Überreste mehr vorhanden sind. Dieter Schwaiger hat mit seinem Büchlein einen weiteren Meilenstein gelegt für die „Zukunft“ des Wasserschlosses. Durch die einfache und umgängliche Beschreibung der „Geschichte“ ist es für „geschichtliche Laien“ sehr leicht zu lesen und auch nachzuvollziehen.

Interessant ist auch, welche wichtigen Funktionen der kleine Weiler für die umliegenden Dörfern und Städte wie, Landshut, Ingolstadt, Neustadt, Biburg hatte.

Die heutigen Eigentümer und Bewohner des ehemaligen Schlossgeländes, die Familien Wöhrmann und Seemann freuen sich über die detailgetreue Aufarbeitung der letzten 500 Jahre ihrer jetzigen Heimat.

Dieter Schwaiger streute immer wieder kleine witzige Anmerkungen in seine Präsentation und Edi Albrecht trug historische Lieder u.a. über einen „Karpfen-Fischer“, einen Edelmann aus dem 16. Jahrhundert und über „Napoleon“ vor.

Heimatpfleger Edi Albrecht, Stadtarchivar Anton Metzger, Buchautor Dieter Schwaiger, Historikerin Frau Dr. Emma Mages, Stadtrat Konrad Dichtl

Für den musikalischen Rahmen sorgte die Musikgruppe „De Dry“. Sie eröffneten die Veranstaltung und spielten auch nach Ende des Vortrages noch angenehme Unterhaltungsmusik, während die Besucher sich über die Geschichte von Karpfenstein austauschten. Die meisten der rund 85 Besucher nutzten auch die Gelegenheit, das Buch für 9.50 € zu kaufen und vom Autor mit einer persönlichen Widmung signieren zu lassen.Konrad Dichtl bedankt sich vor allem beim Autor des Buches Dieter Schwaiger für seine rund 3 Jahre andauernde Arbeit mit einem Dankeschön und bei den vielen Mitwirkenden, und bei den Familien Wöhrmann und Seemann und den Unterstützern bei den geschichtlichen Recherchen mit einem kostenlosen Exemplar des Buches.

Dieter Schwaiger zugewandt, sagte Konrad Dichtl, er hätte da schon ein weiteres geschichtsträchtiges Objekt in Mühlhausen, dessen Historie genauso interessant wäre …

Das Buch ist ab sofort bei folgenden Verkaufsstellen zu den normalen Öffnungszeiten zu erwerben: Bücherei im Pfarrheim, Bäckerei Dussmann, Raiffeisenbank Filiale Mühlhauen, Getränkemarkt Dichtl. Der Preis beträgt 9,50 €.

Text: Josef Kastl

Fotos: Josef Kastl und Buch Dieter Schwaiger