28.04 2020

28. April 1945 – Vor 75 Jahren endete der 2. Weltkrieg in Mühlhausen und Geibenstetten

Herr Sebastian Hainz sen. rekonstruierte die historischen Ereignisse der „letzten Kriegstage in unserer Heimat“. Heute um 19.30 Uhr wollte er im Pfarrheim berichten, was in Neustadt, Geibenstetten und Mühlhausen passiert ist. Wegen der Corona-Pandemie ist dies leider nicht möglich.

Deshalb hat er für uns die Geschehnisse schriftlich zusammengefasst.

Heute vor 75 Jahren, der 28. April 1945 (ein Samstag) war ein besonderer und einschneidender Tag für Mühlhausen und Geibenstetten. Nachts hatte es eine geschlossene Wolkendecke mit teilweisem Niederschlag, tagsüber war es bewölkt mit sonnigen Abschnitten und zwischendurch wieder etwas Regen, eben ein typisches Aprilwetter.

Seit Dienstag, dem 24. April 1945 waren die amerikanischen Truppen an der Donau, auf der gegenüberliegenden Seite von Neustadt angelangt. Sie kamen aus der Richtung Beilngries und Neumarkt. An diesem Dienstag wurde auch das Löwendenkmal bei Bad Abbach gesprengt, man wollte die Straße unbefahrbar machen.

Am Mittwoch, den 25. April 1945 kamen die ersten Tiefflieger der Amerikaner über Neustadt. Das 17. SS-Pionierbataillon bekam den Befehl, die Donaubrücke bei Neustadt zu sprengen, sie war schon längere Zeit mit Sprengstoff gefüllt.

Die Brücke wurde 1898 errichtet und 1900 eingeweiht. Sie wurde von der Firma MAN geplant und gebaut und war mit 365 Meter die längste Brücke Bayerns.

Die Detonation um 17.30Uhr war so stark, dass z.B. in der Rentamtstr. 18 in Neustadt, eine Petroleumlampe, die im Kellerabgang stand, durch den Luftzug gelöscht wurde.

In der Zeit vom 24. und 25. April waren deutsche Einheiten auf dem Rückzug von Neustadt Richtung Pfeffenhausen auf der heutigen B299. Dabei wurden sie immer wieder von amerikanischen Tieffliegern unter Beschuss genommen. Hauptlehrer Rittinger schrieb dazu in „Bausteine für Volksschulen im Landkreis“ „Die Bevölkerung flüchtete in diesen Tagen, mit dem nötigen Hab und Gut in die Wälder der Umgebung“.

Am nächsten Tag, dem Donnerstag den 26. April 1945 wurde dann das Dach des Neustädter Kirchturms beschädigt.

Am Tag darauf, Freitag den 27. April ging die Pfarrkirche von Neustadt komplett in Flammen auf. Auch verlies an diesem Tag die deutsche SS-Artillerie ihre Stellungen in Karpfenstein und Geibenstetten, da die Soldaten keinen Treibstoff mehr für ihre Fahrzeuge hatten. Landwirte aus dem Dorf mussten die Geschütze mit Zubehör Richtung Pfeffenhausen bringen.

Gegen 15.00 Uhr schossen die Amerikaner auch auf Mühlhausen, dabei wurde unter anderem das Haus der Familie Dichtl schwer beschädigt und auch viele Fenster im Oberdorf zerbarsten.

Herr Frühmorgen wollte sich und seine Familie mit einem Ochsengespann nach Biburg zu seiner Schwägerin, in Sicherheit bringen.

Als sie beim Kellerer-Anwesen vorbeifuhren schlug wieder eine Granate ein. Sie riss Herrn Thomas Kellerer ein Bein ab, auch ein Fuß des Ochsen wurde sehr schwer verletzt.

Ein weiterer Splitter drang in eine mitgeführte Bibel ein. Er drang bis zu der Seite von Mk 4. 35-41 ein, in der Jesus den Sturm auf dem See Genezareth, mit den Worten zähmte.
„Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.“

Sie brachten das Ochsenfuhrwerk wieder heim und zogen zu Fuß zur Schwägerin nach Biburg.

Auch der Stadel vom Lenkerwirt bekam einen Treffer ab.

Samstag, der 28. April 1945 war der Tag der Übernahme durch die einrückenden amerikanischen Streitkräfte.
(Wetter: Nachts geschlossene Wolkendecke, Niederschlag, tagsüber sonnig, Bewölkung, gelegentliche Schauer).

Die Alliierten wagten eine neue Strategie zur Überquerung der Donau bei Neustadt. Sie vernebeln das Gebiet an der Donau und versuchten mit Schlauchbooten einen Brückenkopf zu schlagen. Doch die verbliebenen deutschen SS-Truppen verhinderten das Übersetzen. Die amerikanischen Truppen zogen sich Richtung Eining zurück.

Dort gelang ihnen unter schweren Verlusten die Überquerung. Bei der Einnahme von Neustadt gab es starke Gefechte und Häuserkämpfe.

Gegen 19.00 Uhr abends marschierten die Amerikaner in Mühlhausen ein

und besetzten unser Dorf.

Sie rückten aus Richtung Ulrain heran. Von Mühlhausen aus marschierten die amerikanischen Streitkräfte dann weiter Richtung Geibenstetten und „säuberten dabei den Wald“. Dort war mindestens noch ein „Maschinengewehr-Nest“ in Stellung.

Im Anwesen Kellerer waren deutsche Volkssturmsoldaten in Stellung, als dann der erste Panzer von Ulrain her auf Mühlhausen zu rollte, erschossen sie den Panzerkommandanten des ersten Panzers. Die deutschen Soldaten wurden von den Amerikanern alle getötet und neben dem Weg auf das Feld gelegt. Sie lagen auch noch da als die Familie Frühmorgen von Biburg wieder zurückkam.

Etwa 90 amerikanische Soldaten wurden ins Schulhaus einquartiert und blieben dort bis zum 12.Januar 1946.

 

Pfarrer Msgr. Dr. Fritz Holzer hat die letzten 14 Tage des Kriegsgeschehen in einem Bericht festgehalten:

Bericht von Pfarrer Msgr. Dr. Fritz Holzer über das Kriegsgeschehen der letzten Kriegswochen in unserer Heimat (hier aufrufen)

 

Pfarrer Msgr. Dr. Fritz Holzer

Er vermerkte in einer Notiz im Pfarrarchiv:

 „Pfarrhof und Kirche blieben ohne jegliche Beschädigung, durch die Fürbitte der Gottesmutter und des heiligen Bruder Konrad, wofür eine Wallfahrt zum Grabe des Heiligen versprochen ist. (Vom Ortspfarrer am Donnerstag 26.4.45 versprochen.) Auch die Ortschaft hat wenig Schaden gelitten, obwohl hier große Abwehr eingesetzt und mehrere Geschütze da waren.“(Chronik Mühlhausen von Hans Wagner)

In der Pfarrkirche St. Vitus findet man im Gemälde beim Heiligen Bruder Konrad einen Hinweis auf die letzten Tage des 2. Weltkrieges in Mühlhausen (in der rechten hinteren Seite der Kirche).

Erinnerung der Familie Loibl:
„Bei der Einnahme unseres Orts wurde auch der Panzerschrank der Poststelle im Hause Sebastian Loibl durch Schüsse gewaltsam aufgebrochen. Der Inhalt verschwand. Hinter dem Panzerschrank lag ein Hitlerbild, welches Gott sei Dank von den Ami´s nicht gefunden wurde.“

Jeglicher Post und Fernmeldeverkehr wurde eingestellt. Im ehemaligen Postbüro wurde dann die Ortskommandantur der Besatzer eingerichtet.

In den kommenden Monaten begann dann die Post wieder schrittweise zu funktionieren. Mühlhausen wurde mit einem Postauto von Abensberg her beliefert. Dieses Auto übernahm auch im geringen Umfang Personenbeförderungen.

Die Amerikaner sammelten auch die Vereinsfahnen ein, es waren jegliche Vereinstätigkeiten verboten. Die Fahnen verschwanden auf Nimmerwiedersehen, außer die des Kriegervereins. Herr Karl Bauer (da Schmid Karl) war damals Fahnenjunker und versteckte sie unter seinem Bett, was sicher sehr gefährlich war.

Erinnerung der Familie Hainz:
„Mein Großvater Johann Hainz erzählte mir einmal, dass an den Fronleichnamsprozessionen die Häuser mit der Hakenkreuzfahne geschmückt werden mussten. Als mein Opa sie wieder herunternehmen wollte, verfing sie sich am Mast. Leicht fluchend meinte er „Scheißfetzen jetzt geh halt runter.“ Der damalige Ortsgruppenleiter Schmid hörte das und meinte ganz bestimmt: „Hans, noch ein Wort und du bist morgen furt!“

Entwicklung der Gemeinde:
Der Bürgermeister in der Zeit von 1931 bis 1945 war Josef Gammel Bürgermeister.
Der Bauer Huber wurde dann von den Besatzern als Bürgermeister eingesetzt.

Im Jahre 1946 wurde dann die Gemeinde Geibenstetten in die Gemeinde Mühlhausen eingegliedert.

Am 1. April 1948 wurde dann Geibenstetten wieder eine selbstständige Gemeinde. Da bei der Zusammenführung keine Eintragungen der Grundstücke ins Grundbuch vorgenommen wurden, gab es auch keine Probleme bei der Rückführung. Lediglich über die Kosten der Wirtschaftsführung entstanden Diskussionen. Am 11.Juli 1948 fand man auch da einen Kompromiss.

Heute:
Rund 75 Jahre sind seit diesen dramatischen Ereignissen vergangen. Viele der Zeitzeugen sind schon verstorben. Dabei wäre es sehr wichtig, sich die Folgen des 2. Weltkrieges aber auch der anderen Kriege vor Augen zu führen.

Die Krieger- und Reservistenkameradschaft Mühlhausen erinnert alle 2 Jahre im Rahmen des Kriegerjahrtages im August und jedes Jahr am Volkstrauertag mit einer Gedenkfeier am Kriegerdenkmal im Friedhof an die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkrieges.

Volkstrauertrag 2017 (hier aufrufen)

Kriegerjahrtag 2019 (hier aufrufen)

Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und lesen Sie auf den Tafeln die Namen der Verstorbenen und Vermissten. Fast jede Familie aus Mühlhausen und Geibenstetten hat Angehörige verloren.

 

Verfasser: Sebastian Hainz sen.

Quellen:
Chronik Mühlhausen, Wehrmachtsregister, Chronik Neustadt/Do, Verschiedene Quellen aus dem Internet, Berichte gesammelt wahrscheinlich von Prof. Dr. Schnittmann und Gespräche mit Büger.

 


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